Vom Leitbild deutscher Naturparke und der Naturparkarbeit in der Wildeshauser Geest
Von Lisa Eberhardt
This blogpost is part of a transdisziplinary student project in the region of Oldenburg tought by Moritz Engbers, Prof. Ulli Vilsmaier, Dr. Maraja Riechers.
Dieser Blogpost ist Teil des Studentenprojektes Transdisziplinäres Projekt: Landkreis Oldenburg im Master Nachhaltigkeit. Lehrende: Moritz Engbers, Prof. Ulli Vilsmaier, Dr. Maraja Riechers.
Das einjährige transdisziplinäre Forschungsprojekt ist eines der Kernstücke des Masterstudiengangs Nachhaltigkeitswissenschaften an der Leuphana Universität Lüneburg. Dieses Projekt war ein entscheidender Faktor, warum ich mich für dieses Studium entschieden habe. Um sich den Herausforderungen im Kontext von Nachhaltigkeit zu stellen und eine Transformation voranzutreiben, reicht es nicht aus, im universitären Kontext zu verbleiben. Ich denke, dass der interdisziplinäre Charakter – die Tatsache, dass unser Studiengang eine Vielzahl von Disziplinen vereint – von enormer Bedeutung ist. Die Nachhaltigkeitsthematik ist sehr komplex und vielschichtig, wodurch es einer Zusammenarbeit vieler verschiedener Perspektiven benötigt, um die Herausforderungen bewältigen zu können. Dennoch reicht Interdisziplinarität nicht aus. Wir müssen aus dem akademischen Kontext heraustreten und uns in Zusammenarbeit mit Praxisakteuren den Themen und Problemen im Kontext der Nachhaltigkeit stellen.
Das Leitbild deutscher Naturparke
Im Mittelpunkt unseres Forschungsprojektes steht der Naturpark Wildeshauser Geest. Als ich mich für das Projekt entschieden habe, habe ich festgestellt, dass ich selbst gar nicht genau wusste, was ein Naturpark überhaupt ist. Den meisten meiner Kommiliton*innen ging es genauso. Daher haben wir uns zunächst über den Naturpark Wildeshauser Geest, aber auch über Naturparke in Deutschland allgemein informiert. Hierzu haben wir vor allem die Internetseite des Verbands Deutscher Naturparke (www.naturparke.de) genutzt. Diese Seite bietet einen guten Überblick über die Geschichte, Aufgaben und Ziele von Naturparken und stellt eine Vielzahl von Informationen bereit. Als ich die Texte zum Leitbild und den Aufgabenbereichen deutscher Naturparke gelesen habe, war mein erster Gedanke: Das klingt unglaublich umfangreich und komplex – ist das realistisch? Naturparke werden als „Vorbildlandschaften“ einer nachhaltigen Entwicklung bezeichnet und sollen die Bereiche Naturschutz, Erholungsvorsorge, umwelt- und naturverträgliche Landnutzung, und Wirtschaftsentwicklung zusammenführen und zu einer nachhaltigen Bewirtschaftung beitragen (VDN 2017). Diese theoretische Beschreibung der Naturparkarbeit mag auf den ersten Blick schlüssig wirken, jedoch stellt sich die Frage, inwieweit diese Theorie mit der tatsächlichen Naturparkarbeit übereinstimmt?
Als wir uns mit wissenschaftlichen Texten zum Thema Naturparke auseinandergesetzt haben, wurde schnell deutlich: Insbesondere mit Blick auf das Handlungsfeld der nachhaltigen Regionalentwicklung besteht deutliche Kritik von Seiten der Akteure der praktischen Naturparkarbeit (Weber 2016). Obwohl die nachhaltige Regionalentwicklung als der zentrale Aufgabenbereich von Naturparken angesehen wird, bestehen Schwierigkeiten in der Umsetzung (Weber 2013), denn der Aufgabenbereich ist keinesfalls eindeutig definiert beziehungsweise abgesteckt.
Mit diesem theoretischen Vorwissen waren wir sehr gespannt darauf, einen Einblick in die Naturparkarbeit in der Wildeshauser Geest zu bekommen und uns selbst ein Bild davon zu machen.
Der Naturpark Wildeshauser Geest
Um einen Einblick in die Arbeit des Naturparks Wildeshauser Geest zu bekommen, haben wir nach einem ersten Kennenlerngespräch einen Termin mit dem Naturpark vereinbart. Während die Gruppe Antreiben ein Interview zum Tourismus im Naturpark durchgeführt hat, haben wir in der Gruppe Nähren eine Netzwerkanalyse durchgeführt, genauer gesagt eine ego-zentrierte Netzwerkanalyse. Die Netzwerkanalyse ist eine wissenschaftliche Methode, mit der Akteure und deren Beziehungen untereinander innerhalb eines Netzwerks aufgezeigt werden (GTZ 2006). Bei einer ego-zentrierten Netzwerkanalyse geht es dabei nicht allein darum, das Netzwerk als Ganzes darzustellen, sondern von einem bestimmten Akteur ausgehend, die Beziehungen zu anderen Akteuren im Netzwerk aufzuzeigen (Herz et al. 2015). Also haben wir die Verantwortlichen gebeten, aus der Perspektive des Naturparks die zentralen Akteure, mit denen sie zusammenarbeiten, aufzuzeichnen. Das Ergebnis war ein großes Blatt Papier, auf welchem eine Vielzahl von Akteuren aufgemalt war. Diese Übersicht über das Netzwerk des Naturparks gibt uns eine interne Sicht auf die Naturparkarbeit und zeigt die zentralen Akteure auf.
Eine erste Erkenntnis war für uns, dass der Naturpark mit enorm vielen verschiedenen Akteuren zusammenarbeitet. Hätten wir noch mehr Zeit gehabt, hätten die Verantwortlichen wahrscheinlich noch einige Blätter mehr füllen können. Denn die Zusammenarbeit beschränkt sich nicht nur auf den Landkreis selbst, sondern umfasst die Landes- und Bundesebene. Es wurde jedoch auch deutlich, dass die Naturparkarbeit nicht immer ganz einfach ist. Der Naturpark bildet eine Art Schnittstelle zwischen Akteuren, welche zum Teil sehr unterschiedliche Erwartungen oder Forderungen an den Naturpark haben. Zudem sind die Verantwortlichen auch immer mal wieder in der Position, die Naturparkarbeit rechtfertigen und den Wert des Naturparks deutlich machen zu müssen. Denn oft sind sich Akteure, welche beispielsweise durch ein politisches Amt zum ersten Mal mit dem Naturpark zu tun haben, über dessen Bedeutung und Aufgaben gar nicht bewusst. Dies gilt auch insbesondere für die allgemeine Bevölkerung im Naturpark. Es wurde betont, dass sie sich mehr Kontakt wünschen würden und es nicht klar ist, wie der Naturpark wahrgenommen wird. Dieser Umstand gilt nicht nur für den Naturpark Wildeshauser Geest. Denn obwohl Naturparke hinsichtlich ihrer Zahl und Fläche die bedeutendste Schutzkategorie bilden, sind sie „nach wie vor die am wenigsten bewusst wahrgenommene und die am meisten mit anderen Schutzgebieten verwechselte Gebietsschutzkategorie in Deutschland“ (Mehnen und Mose 2016: 109).
Ein weiterer zentraler Aspekt des Gesprächs war, dass oftmals die personellen oder finanziellen Mittel fehlen, um Potenziale ausschöpfen und Kooperationen vorantreiben zu können. Daher müssen in der Naturparkarbeit Prioritäten und Schwerpunkte gesetzt werden, da der formale Anspruch an Naturparke nicht unbedingt mit deren Handlungsspielräumen übereinstimmt.
Verknüpfung von Theorie und Praxis: Potenziale transdisziplinärer Forschung
Der Einblick in die praktische Arbeit im Naturpark Wildeshauser Geest hat uns verdeutlicht, dass der formale Anspruch und die reale Naturparkarbeit nicht übereinstimmen. Dass es eine Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis gibt, ist zu einem gewissen Maße auch selbstverständlich. Jedoch hat uns das Gespräch verdeutlicht, dass vor allem mangelndes Wissen über den Naturpark und zu knappe Ressourcen Hindernisse für die Arbeit sind. Allerdings wurden im Gespräch auch die Potenziale der Naturparkarbeit sichtbar. Hierbei kann der theoretische Anspruch eine Art Zielrichtung vorgeben, welche es gilt, in der praktischen Naturparkarbeit umzusetzen. Hierzu muss eine Verbindung zwischen Theorie und Praxis geschaffen werden, um die bestehende Kluft aufzubrechen. Indem man theoretisches Wissen für die praktische Arbeit „brauchbar“ macht und das praktische Wissen stärker in die theoretischen Überlegungen miteinbezieht, lassen sich die Potenziale in der Realität besser verwirklichen. Hierbei kann transdisziplinäre Arbeit einen wichtigen Beitrag leisten und Akteure aus Theorie und Praxis zusammenbringen.
Quellen
Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ). 2006. Mainstreaming Participation. Instrumente zur AkteursAnalyse. 10 Bausteine für die partizipative Gestaltung von Kooperationssystemen. Aus der Reihe. Förderung partizipativer Entwicklung in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit. Eschborn: GTZ.
Herz, A. et al. 2015. How to Do Qualitative Structural Analysis: The Qualitative Interpretation of Network Maps and Narrative Interviews. Forum: Qualitative Sozialforschung 16(1), Art. 9.
Mehnen, N., Mose, I. 2009. Zwischen ländlicher Idylle und Freizeitattraktion – Eigen- und Fremdimage als Voraussetzungen für die touristische Entwicklung des Naturparks Wildeshauser Geest. In: Wahrnehmung und Akzeptanz von Großschutzgebieten. Herausgegeben von Ingo Mose. Oldenburg: Wahrnehmungsgeographische Studien, Bd. 25. 109-128.
VDN (Verband Deutscher Naturparke). 2017. Leitbild Naturparke Deutschland. https://www.naturparke.de/naturparke/leitbild.html (abgerufen 14.08.2017)
Weber, F. 2013. Naturparke als Manager einer Nachhaltigen Regionalentwicklung: Probleme, Potenziale und Lösungsansätze. Wiesbaden: Springer-Verlag.
Weber, F. 2016. Nachhaltige Regionalentwicklung: Naturparke im Spannungsfeld zwischen Idealvorstellungen und Grenzen in der Praxis. In: Naturparkmanagement in Deutschland: Qualitätsoffensive Naturparke. Herausgegeben von R. Forst, V. Scherfose. Bonn-Bad Godesberg: Bundesamt für Naturschutz Verlag. 131-144.